Ziele, Erfolge und Niederlagen des Fluglärm e.V.

1. Rückblick

Unser erster Widerstand gegen Allgemeine Luftfahrt: Gründung des Fluglärm e.V. am 23.01.1988

Aus der Satzung: §2 Zweck des Vereins Vereinszweck ist die Erhaltung des Erholungswertes des Fünfseenlandes durch die Förderung des Umweltschutzes zur Rettung der Natur durch den Schutz der Bevölkerung vor den Begleiterscheinungen des Luftverkehrs wie Lärm, Abgase, Abwässer und sonstigen Gefährdungen. Insbesondere steht daher als Vereinszweck im Vordergrund die Vermeidung zusätzlichen Flugverkehrs auf dem Betriebsgelände der Firma „Dornier Oberpfaffenhofen“.

Unser Verein existiert nun seit über 30 Jahren. Sein Zweck ist die Erhaltung des Erholungswertes des Fünfseenlandes.

Seit Anfang 1988 wurde seitens der Bayerischen Staatsregierung mehrfach versucht, die Allgemeine Luftfahrt von München- Riem nach Oberpfaffenhofen auszulagern.

Damals ging es um 14.000 Flugbewegungen pro Jahr. Die Bürger (mit dem Fluglärm e.V. an der Spitze) wehrten sich vehement. Schließlich kam es zu einer Genehmigung mit zahlenmäßiger und zeitlicher Begrenzung: Im Geschäftsreiseflugverkehr durften nur 4000 Flugbewegungen pro Jahr bis drei Monate nach Inbetriebnahme des neuen Verkehrsflughafens München (also bis 17. August 1992) in Oberpfaffenhofen abgewickelt werden. Der Widerstand der Bürger hatte sich also gelohnt.

In der Zwischenzeit gab es immer wieder Beschwerden und Klagen, z. B. auch wegen zu lauter Flugzeug-Probeläufe. Im Jahre 1998 wurde vor dem Bayer. Verwaltungsgerichtshof ein Vergleich über zulässige Lärmwerte geschlossen, und die Bevölkerung hatte sich mit dem Flughafen und seinen 4 Nutzern: Dornier, DLR (früher: DFVLR) sowie dem Verteidigungsministerium und der Luftsportgruppe arrangiert.

Der Bürger konnte abschätzen, mit welchen Störungen er in seinem Umfeld zu rechnen hatte. Doch das änderte sich plötzlich.

Im September 2002: geht Fairchild-Dornier in Insolvenz. Kurz vorher war ja noch die Entwicklung des neuen Flugzeugtyps Do 728 gefeiert worden. Nunmehr trat eine neue Betreibergesellschaft, die EDMO-Flugbetrieb GmbH, auf den Plan.

Nach Insolvenz von Fairchild-Dornier im September 2002: Luftfahrt- affine Betriebe in Oberpfaffenhofen

Am 02. Dezember 2002 wird die Änderungsgenehmigung für Luftfahrtaffine Betriebe erteilt zur

Entwicklung,
Produktion,
Instandhaltung,
Aus- und Umrüstung,
Vertrieb von Luft- und Raumfahrtkomponenten.

Die Bürger wurden über die Erweiterung des Nutzerkreises nicht angehört. Klagen wies der BayVGH in letzter Instanz am 04.04.2005 zurück.

Am 02.Dezember 2002 erfolgte die kurzfristige Genehmigung des Antrags der neuen Betreibergesellschaft EDMO auf Nutzungserweiterung für beliebige, Luftfahrt-affine Betriebe, d. s. Betriebe für Entwicklung, Produktion, Instandhaltung, Aus- und Umrüstung sowie Vertrieb von Luft- und Raumfahrzeugen. Aus bisher 4 Nutzern wurde jetzt eine unbestimmte Vielzahl.

Es fand keine Anhörung der Bürger statt; Anfechtungsklagen mehrerer Anwohner wurden abgeschmettert, in letzter Instanz dann vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im April 2005. Noch vor Rechtskraft dieser Betriebserweiterung war EDMO schon wieder tätig geworden:

Mit Entscheidung des BVerwG wurde der Beschluss am 17.12.2007 bestandskräftig.

Am 13. April 2004 erfolgte die Verabschiedung des Planfeststellungsbeschlusses durch das Luftamt Südbayern. Der Flughafen sollte ganz neu gestaltet werden mit 547.000 qm Geschossfläche, das ist so viel wie 72 Fußballfelder, 16 Taxiways (Rollbahnen) und 23 Flugzeugabstellplätzen.

Nach einer Inaugenscheinnahme des Flugplatzes durch den Bayer. Verwaltungsgerichtshof sagte der damals bereits amtierende Senatsvorsitzende Dr. Alesch, ich zitiere: „Hier soll ja alles platt gemacht werden!“ Das ist zwar bis heute nicht geschehen; doch auch dieser Planfeststellungsbeschluss wurde durch Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) im Dezember 2007 rechtskräftig.

Am 08.August 2006 erfolgte die Verabschiedung der Änderung des Landesentwicklungsprogramms Bayern 2006 (LEP) durch den Bayer. Landtag unter Umgehung der EU- Umweltverträglichkeitsprüfung.

Das Landesentwicklungsprogramm Bayern 2006

Das LEP Bayern vom 08.08.2006 enthält als Ziel in B V 1.6.5:

Satz 1 „Der Sonderflughafen Oberpfaffenhofen soll in seinem Bestand gesichert werden.“

Satz 2 „ Die Möglichkeiten für einen bedarfsgerechten Ausbau und für seine Nutzung durch den Geschäftsreiseflugverkehr sollen offen gehalten werden.“

Die EU-Umweltverträglichkeitsprüfung wurde hierbei umgangen !!

Wir erkennen das Ziel: Der Sonderflughafen Oberpfaffenhofen soll in seinem Bestand gesichert werden. Die Möglichkeiten für einen bedarfsgerechten Ausbau und für seine Nutzung durch den Geschäftsreiseflugverkehr sollen offen gehalten werden.

Hier also erscheint der Begriff Geschäftsreiseflugverkehr zum ersten Mal, der in keinem Gesetz und keiner Rechtsprechung bisher zu finden war!

Antrag der EDMO auf Flugbetriebserweiterung am 10.08.2006

2 Tage nach Verabschiedung der LEP - Änderung durch den Landtag stellt EDMO den Antrag auf Genehmigung des Geschäftsreiseflugverkehrs und Erweiterung der Betriebszeiten.

Als Veranlassung dieses Antrags gibt EDMO als ersten Punkt Folgendes an:

Die hier nachgesuchte Erweiterung der luftrechtlichen Genehmigung für den Sonderflughafen trägt dem Ziel BV 1.6.5 des LEP Rechnung !!

Am 10. August 2006 (also nur 2 Tage nach der LEP-Änderung)

stellt EDMO den Antrag auf Flugbetriebserweiterung mit Geschäftsreiseflugverkehr, Taxiluft- und Hubschrauberverkehr und Erweiterung der Betriebszeiten. Der Antragsgrund (erster Punkt) lautet: Die hier nachgesuchte Erweiterung der luftrechtlichen Genehmigung für den Sonderflughafen trägt dem Ziel BV 1.6.5 des LEP Rechnung!

Das heißt: Die EDMO stützt ihren Antrag auf das Landesentwicklungsprogramm (LEP). Warum überhaupt diese Änderung des LEP im Jahre 2006? Die Antwort: EDMO wollte als privater Betreiber des Flughafens das öffentliche Interesse für diese Betriebserweiterung nachweisen!

Der Fluglärm e.V. hat nach der Antragstellung durch die EDMO 7 teilweise sehr große Informationsveranstaltungen im Fünfseenland durchgeführt und auch mit Journalen und einer Informationsmappe auf die zu erwartenden Belastungen und Gefahren hingewiesen.

Diese 50fach gedruckte Info-Mappe haben wir an Politiker und Gemeinden verteilt, ja sogar an das Luftamt Südbayern, den Präsidenten der Regierung von Oberbayern und an das Wirtschaftsministerium.

Besonders in Erinnerung bleibt die Veranstaltung des Fluglärm e.V. und des Vereins UNSER DORF im Weßlinger Pfarrstadel mit den 5 Landratskandidaten im Januar 2008. Würden sich die Kandidaten unserem Protest anschließen? Doch damit nicht genug: Auch die Gemeinde Seefeld und die dortige Bürgerinitiative organisierte einen Protestzug. Höhepunkt war dann die mit Gemeinden und allen Bürgerinitiativen gemeinsam durchgeführte Großveranstaltung in Weßling.

Am 20. Juli 2008 hatten sich in Weßling 4000 Teilnehmer auf dem Sportplatz versammelt und zogen anschließend im Protestzug (als Menschenkette) um den Weßlinger See. Es war ein beeindruckendes Erlebnis friedlicher Demonstration. Bürgermeister der umgebenden Gemeinden gaben einen unmissverständlichen Ruf in Richtung Staatsregierung ab. Die Biermösl-Blosn holte zu scharfen verbalen Attacken aus. Eine Teilnehmerin sagte damals: „Gegen eine so große Menschenmenge kann doch die Regierung von Oberbayern nicht entscheiden.“

Änderungsgenehmigung der Regierung von Oberbayern vom 23.07.2008:

Zulassung qualifizierten Geschäftsreiseflugverkehrs zwischen 2 und 25 Tonnen Startmasse (zuzüglich mehrerer Flugzeugmuster über 25 bis max. 50 Tonnen) mit insgesamt jährlich 9725 Flugbewegungen.

Änderung der Betriebszeiten und Aufhebung des Bewegungskontingents nach 19.00 Uhr.

Am 23.Juli 2008, also 3 Tage nach der Großdemonstration, wird der Bescheid auf Flugbetriebserweiterung durch das Luftamt Südbayern, einer zur Regierung von Oberbayern gehörende Behörde, erlassen.

Am 08.Oktober 2008 hat dann der Fluglärm e.V. mit 9 Musterklägern Klage vor dem Verwaltungsgericht München, der 1. Instanz, erhoben. Weitere 17 Kläger aus dem Kommunalbereich, aus Zweckverbänden sowie zwei weitere Privatpersonen erhoben ebenfalls Klage. Sogar der Landkreis Starnberg hatte geklagt!

Wer waren die Kläger?

Gemeinde Weßling
Gemeinde Gilching
Gemeinde Seefeld
Stadt Germering
Landeshauptstadt München
Gemeinde Gauting
Gemeinde Wörthsee
Gemeinde Gräfelfing **
Landkreis Starnberg
Landkreis Fürstenfeldbruck
Krankenhauszweckverband Seefeld
Schulzweckverband für weiterführende Schulen
Zweckverband Großräumige Wasserversorgung
Zweckverband Sozialer Wohnungsbau
Bund Naturschutz
Privatkläger Castellano
Privatkläger Hartmann
9 Privatkläger des Fluglärm e.V.
** Klage zurückgezogen

Insgesamt 26 Klageverfahren (18 Aktenzeichen)

5 Kanzleien, 10 Verhandlungstage

 

Ein wesentlicher Teil des Fünfseenlandes hat sich damals gegen die Flugbetriebserweiterung aufgelehnt. Während der mündlichen Gerichtsverhandlungen im Juli und Oktober 2009 (insgesamt 10 Tage) wurden 8 kleinere Änderungen des ursprünglichen Genehmigungsbescheids erreicht, für die das Luftamt Südbayern und die Beigeladene EDMO Rechtsmittelverzicht erklärten, die also in einer anderen Instanz nicht mehr angegriffen werden können.

Nachbesserungen des Bescheids während der Verhandlungen

Die jährlich 9725 Flugbewegungen im qualifizierten GRFV dürfen nicht durch anders deklarierte Flugbewegungen, z.B. als Werksflüge, unterlaufen werden.

Monatlich dürfen nach 19.00 Uhr Ortszeit nicht mehr als 80 Flugbewegungen durchgeführt werden.

Jährlich dürfen nicht mehr als 10.000 Flugbewegungen mit motorgetriebenen Flugzeugen (Sportflugzeuge) durchgeführt werden. Flüge mit Hubschraubern im Bereich des qualifizierten Geschäftsreiseflugverkehrs dürfen an Sonn- und Feiertagen nicht durchgeführt werden.

Bei Nutzungsbeeinträchtigung des Außenwohnbereichs hat auf Antrag EDMO die Eigentümer zu entschädigen, wenn der Dauerschallpegel auf dem Grundstück 60 dB(A) überschreitet. Für alle Nachbesserungen des Bescheids hat der Beklagte (Luftamt Südbayern) und die Beigeladene EDMO Rechtsmittelverzicht erklärt.

Als Beurteilungspegel für den wahrgenommenen Lärm dient der Lärmdurchschnitt. Als äquivalenter Dauerschallpegel, gemessen in dB(A), dient der Langzeitmittelungspegel im Jahresdurchschnitt – das jedenfalls ist die Lärmkonzeption des Luftamtes Südbayern.

Das Gericht sagt, dieser Pegel decke zwar das tatsächliche Lärmereignis nicht korrekt ab, es gäbe jedoch kein besseres Beurteilungsverfahren.

Der Lärm wird logarithmisch gemessen. Von der jetzigen Genehmigung ausgehend bedeutet eine mögliche Zunahme um 5 dB(A), dass 3mal so viele Flugzeuge fliegen dürfen; bei Festhalten an der gegenwärtigen Deckelung, es sind jetzt 9725 Flugbewegungen pro Jahr, dürften dann eben wesentlich mehr lautere Maschinen fliegen.

Wir hatten uns über die 8 Bescheid-Nachbesserungen gefreut und glaubten, das Gericht würde auf unsere Argumentation einschwenken. Doch das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2009 war dann ernüchternd:

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23.10.2009

Urteilstenor: Der Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts im Wege der Ergänzung des Bescheids der Regierung von Oberbayern - Luftamt Südbayern - vom 23. Juli 2008 durch Anordnung geeigneter Maßnahmen sicherzustellen, dass an den im Rubrum aufgeführten Anwesen der Kläger durch den qualifizierten Geschäftsreiseflugverkehr unter Berücksichtigung des bereits am Sonderflughafen Oberpfaffenhofen zugelassenen Flugverkehrs ein äquivalenter Dauerschallpegel von jeweils 60 dB(A) außen nicht überschritten wird.

Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

Zwar hatten neben unseren 9 Musterklägern auch die Gemeinden Weßling und Gilching sowie ein weiterer Privatkläger die Auflagen für aktiven Schallschutz erreicht, doch alle weiteren Kläger gingen leer aus bzw. wurden gänzlich abgewiesen.

Noch bevor das erstinstanzliche Urteil ergangen war, hat sich der Fluglärm e.V. zusammen mit den anderen Bürgerinitiativen aus Germering, Weßling, Wörthsee, Seefeld, Gauting und Krailing/, Pentenried massiv um eine Änderung des Landesentwicklungsprogramms Bayern (LEP) bemüht.

Das dort festgeschriebene Ziel, der Sonderflughafen Oberpfaffenhofen soll für den Geschäftsreiseflugverkehr offen gehalten werden, musste wieder geändert werden. Wir erinnerten Parteien an ihre Wahlversprechen, führten mit Politikern Einzelgespräche. Diskutierten mit der Industrie- und Handelskammer und mit Herrn Wirtschaftsminister in seinem Amtssitz, und hatten Kontakt zum Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München.

Die Bürgerinitiativen verfassten sogar einen eigenen LEP- Änderungsvorschlag und versandten diesen an 60 Politiker und behördliche Stellen. Ja, wir schraken auch nicht vor einem Besuch in der Staatskanzlei zurück.

Gespräch in der Staatskanzlei wegen LEP-Änderung

Nach mehrtägiger Mahnwache vor dem Wirtschaftsministerium erhalten Bürgerinitiativen am 22.06.2009 Gelegenheit zum Gespräch mit Ministerpräsident Seehofer, Wirtschaftsminister Zeil, Frau Landesvorsitzende Leutheusser-Schnarrenberger, Frau MdL Will und Frau MR Dr. Wolf. Der Ministerpräsident geht auf Anliegen der Bürgerinitiativen ein und legt folgende umzusetzende LEP-Ziele (die auch der Stellungnahme des Regionalen Planungsverbands entsprechen) fest:

Ziel BV 1.6.5: Der Sonderflughafen soll in seinem Status und Bestand als reinerWerks- und Forschungsflughafen gesichert werden. Die Öffnung für zusätzliche Verkehre, insbesondere den Geschäftsreiseflugverkehr, soll nicht zugelassen werden.

Dem Ziel BV 1.6.8 wird folgender Satz angefügt: In der Region München (14) soll zusätzlich zu der bestehenden Luftverkehrsinfrastruktur kein neuer Verkehrslandeplatz zugelassen werden.

Sicher trug auch die verlorene Landtagswahl der Regierungspartei und die Rücksicht auf den Koalitionspartner dazu bei, dass das LEP am 16. Dezember 2009 schließlich vom Landtag mit 1 Gegenstimme (CSU), 2 Enthaltungen (CSU) und 1 Enthaltung (Freie Wähler) folgendemaßen geändert wurde:

Das neue LEP trat am 01.Januar 2010 in Kraft. Mittlerweile wird ja das gesamte bayerische Landesentwicklungsprogramm neu aufgestellt. Die bis zum 21.09.2012 eingereichten Änderungswünsche aus der Anhörung werden gerade eingearbeitet.

Und so freut es uns, dass die im Jahre 2010 in Kraft getretenen Änderungen nicht nur fortgeschrieben, sondern sogar verschärft werden sollen.

Der Sonderflughafen Oberpfaffenhofen im Entwurf des neuen Landesentwicklungsprogramms Bayern (LEP)

Am 22.05.2012 hat der Ministerrat folgendes Ziel im Entwurf des neuen LEP beschlossen:

4.5.4 Ziel: Der Sonderflughafen Oberpfaffenhofen ist in seinem Status und Bestand als reiner Werks- und Forschungsflughafen zu sichern. Die Öffnung des Sonderflughafens für zusätzliche Verkehre, insbesondere den Geschäftsreiseflugverkehr, ist nicht zuzulassen.

Anmerkung: Aus dem „SOLL“ des LEP von 2010 ist jetzt ein „IST“, also eine Verschärfung, geworden!

Was vielleicht von den 26 Klägern in der 1. Instanz und ihren Rechtsanwälten in seiner weitreichenden Wirkung etwas unterschätzt wurde, war das neue Fluglärmschutzgesetz. Es ist ein Bundesgesetz und sollte eine gewisse Vereinheitlichung bringen. Es trat am 07.06.2007 in Kraft.

Beim Begriff „Schutzgesetz“ meint man auf den ersten Blick, es diene dem Bürger. Doch, so sagte damals der BUND Naturschutz im Vorfeld der Beratung des Bundestages, „der erste Blick täuscht. … Durch das Fluglärmschutzgesetz wird der Schutz von Anwohnern vor Fluglärm nicht verbessert, sondern verschlechtert.“ Und ein Anwalt drückte es so aus: „Das Fluglärmschutzgesetz ist nicht dafür da, Lärm zu verhindern, sondern Lärm zu ermöglichen.“

Schützt das Fluglärmschutzgesetz vom 07.06.2007 die Bürger?

§1 Zweck und Geltungsbereich.

Zweck dieses Gesetzes ist es, in der Umgebung von Flugplätzen bauliche Nutzungsbeschränkungen und baulichen Schallschutz zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Fluglärm sicherzustellen.

Jetzt also (im Jahr 2007) werden für den seit 1936 bestehenden Werks- und Forschungsflughafen bauliche Nutzungsbeschränkungen wie für einen Verkehrsflughafen auferlegt. Wir fragen: Ist denn das Fluglärmschutzgesetz überhaupt für Sonderflughäfen gedacht? Welche Lärmwerte gelten denn nach dem neuen Fluglärmschutzgesetz?

Lärmwerte nach neuem Fluglärmschutzgesetz

Werte für neue oder wesentlich baulich erweiterte zivile Flugplätze:
Tag-Schutzzone = 60 dB(A); Nacht-Schutzzone = 50 dB(A)

Werte für bestehende zivile Flugplätze:
Tag-Schutzzone = 65 dB(A); Nacht-Schutzzone = 55 dB(A)

Nach neuester Rechtsprechung wird zwischen Wohnungen und schutzbedürftigen Einrichtungen (Schulen, Kindergärten, Altenheimen, Krankenhäusern) kein Unterschied mehr gemacht.

Der Sonderflughafen Oberpfaffenhofen wird als Bestandsflughafen und nicht als wesentlich erweiterter Flugplatz eingestuft, weil der Antrag für die wesentliche Erweiterung (der Planfeststellungsbeschluss 2004) vor dem willkürlich gewählten Stichtag 07.06.2007 (der Tag des Inkrafttretens des Fluglärmschutzgesetzes) liegt; siehe Fluglärmschutzgesetz § 2 Abs. 2 Nr. 3.

Die Erstinstanz, also das Verwaltungsgericht München, hatte keine Berufung zugelassen. Wir mussten also erst einen Antrag auf Berufung stellen. Dies geschah am 10.05.2010.

Antrag auf Zulassung zur Berufung und das Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH)

Am 10.05.2010 beantragen 4 Privatkläger des Fluglärm e.V. Zulassung zur Berufung und klagen auch in 2. Instanz gegen die Genehmigung des Geschäftsreiseflugverkehrs.

Alternativ wird ein Hilfsantrag auf Begrenzung des äquivalenten Dauerschallpegels von 55 dB(A) gestellt.

EDMO klagt auch, um die Auflagen der 1. Instanz: keine höheren Werte als 60 dB(A) außen, zu beseitigen.

Die Gemeinden Weßling und Gilching gehen ebenfalls in Berufung.

Die Berufung unserer 4 Privatkläger (jetzt nurmehr 4, um das Kostenrisiko zu minimieren) zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wurde erst am 12.07.2011, also 14 Monate später, zugelassen.

Vielleicht werden jetzt manche fragen: „Warum wart ihr denn mit dem erstinstanzlichen Urteil und den Auflagen für den Flughafenbetreiber nicht zufrieden?“ Nun, wir hatten ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Unsere Klagen wurden ja sämtlich abgewiesen. Und schließlich war uns bekannt, dass EDMO im Berufungsverfahren gegen die erstinstanzlichen Auflagen (ein äquivalenter Dauerschallpegel von jeweils 60 dB(A) außen darf nicht überschritten werden) vorgeht. Wir konnten dem Luftamt Südbayern und der Beigeladenen EDMO das Feld nicht allein überlassen. Wir mussten weiterkämpfen!

Nach einer 5stündigen Inaugenscheinnahme aller Kläger-Grundstücke und des Flughafens durch den Senatsvorsitzenden und zwei weitere Richter des Bayer. Verwaltungsgerichtshofes im Januar 2012 (Es lag Schnee und es war sehr kalt) wurden für den März 2012 zunächst 3 Verhandlungstage für die beiden Gemeinden Weßling und Gilching und 3 Verhandlungstage für die Privatkläger anberaumt.

Aus gerichtsinternen Gründen wurden die Verhandlungen dann auf August 2012 verschoben und die Verhandlungen vor dem BayVGH plötzlich in nur 1 ½ Tagen durchgezogen.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 23.08.2012, unsere (9) Privatkläger betreffend

II. Die Berufungen der Kläger werden zurückgewiesen.

III. Auf die Berufungen der Beigeladenen (EDMO) werden unter Abänderung der Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 23. Oktober 2009 die Klagen insgesamt zurückgewiesen.

IV. Die Kläger tragen jeweils 1/36 der Kosten der Verfahren in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

V. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Was in der Begründung dieses Urteils besonders auffällt:

  • Der Sonderflughafen Oberpfaffenhofen wird wie ein bestehender Verkehrsflughafen (Bestandsflughafen) eingestuft – mit entsprechenden höheren Lärmgrenzen bis 65 dB(A).
  • Das Landesentwicklungsprogramm Bayern 2010 spielt für die Urteilsabwägung und die luftrechtliche Fachplanung keine Rolle.

Für den Fluglärm e.V. und seine Privatkläger war nun eine schwierige Entscheidung zu treffen. Da das Bundesverwaltungsgericht keine Tatsacheninstanz ist, müssen besondere Hürden überwunden werden.

Hürden für die Einreichung einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision beim BVerwG

Nach § 132 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist die Revision nur zuzulassen, wenn:

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

2. das Urteil von einer Entscheidung des BVerwG, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Für uns kann es also nur um Streit- und Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung gehen.

Am 09.11.2012 hat unsere Rechtsanwältin, Frau Fridrich, zur Fristwahrung im Auftrag unserer 4 Privatkläger den Antrag gestellt,

die Entscheidung des Senats über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 23.08.2012 aufzuheben und die Revision zuzulassen.

Der Beschwerde-Antrag musste innerhalb eines Monats begründet werden, also bis zum 10. Dezember 2012.

Am 20.11.2012, hat der Vorstand des Fluglärm e.V. und ein Beirat Frau Rechtsanwältin Fridrich in ihrer Kanzlei in Freiburg aufgesucht, um mögliche Ansatzpunkte für eine Beschwerde zu diskutieren.

Wie könnten die Ansatzpunkte für eine Beschwerde (aus Sicht des Vereins) aussehen?

Mögliche Beschwerdeansatzpunkte für unsere Privatkläger und den Fluglärm e.V.

1. Darf das Fluglärmschutzgesetz vom 07.06.2007 auch beim Sonderflughafen Oberpfaffenhofen angewendet werden?

2. Gilt als entscheidungserheblicher Zeitpunkt im vorliegenden Rechtsstreit der Zeitpunkt des Bescheid-Erlasses oder der Tag der letzten mündlichen Verhandlung?

3. Hat das Landesentwicklungsprogramm Bayern 2010 schützende Wirkung für unsere Privatkläger?

4. Ist der Begriff des qualifizierten Geschäftsreiseflugverkehrs hinreichend bestimmt?

Hinweis: Zu Punkt 2: Der Genehmigungsbescheid wurde am 23.07.2008 erlassen. Die letzten mündliche Verhandlung war am 03.08.2012. Die LEP- Änderung (keine zusätzlichen Verkehre, insbesondere kein Geschäftsreiseflugverkehr) trat am 1.1.2010 in Kraft.

Zu Punkt 3: Diese Frage kann man auch anders stellen: Durfte der Landesgesetzgeber (also der Freistaat Bayern) überhaupt eine Verordnung (nämlich das LEP) ändern, in welchem Luftrecht (also Bundesrecht ) tangiert wird?

Beides sind Fragen von grundsätzlicher Bedeutung. Der Ausgang der Beschwerde ist ungewiss. Wir wollen jedoch, ganz im Sinne unserer Kläger und unserer über 750 Mitglieder, nichts unversucht zu lassen, deshalb dieser Schritt.

R. Ulrich, 31.01.2013